Mindestreservepolitik
- Kategorie: EZB
Mindestreservepolitik
Die Europäische Zentralbank (EZB) verlangt von den Geschäftsbanken, auf Kontoguthaben (z.B. Girokonto, Sparkonto) bei den nationalen Zentralbanken, Guthaben zu hinterlegen. Das hinterlegte Guthaben stellt die Mindestreserve, auch Reserve-Soll genannt, dar. Die Höhe der Mindestreserve richtet sich nach der Art und Höhe der mindestreservepflichtigen Verbindlichkeiten einer Geschäftsbank und dem von der EZB festgelegten Mindestreservesatz.
Berechnung der Mindestreserve
Das Mindestreserve-Soll wird jeden Monat für die Geschäftsbanken neu berechnet. Die Höhe der Mindestreserve ergibt sich durch die Multiplikation der reservepflichtigen Verbindlichkeiten mit dem festgelegten Mindestreservesatz (momentan beträgt der Mindestreservesatz 1%). Reservepflichtige Verbindlichkeiten sind z.B. täglich fällige Kundeneinlagen, Schuldverschreibungen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu zwei Jahren und Geldmarktpapiere. Es gibt aber auch reservepflichtige Verbindlichkeiten, die nicht mit dem Mindestreservesatz zusammengerechnet werden müssen. Dazu zählen z.B. Einlagen mit einer vereinbarten Laufzeit von über 2 Jahren, Einlagen mit einer vereinbarten Kündigungsfrist von über 2 Jahren oder auch Wertpapiere mit Rückkaufvereinbarung (Repogeschäfte).1 Der sich daraus ergebende Betrag muss von den Geschäftsbanken als Einlage bei der nationalen Zentralbank gehalten werden. Die Mindestreserveperiode dauert seit 2015 üblicherweise 42 oder 49 Tage und beginnt am Mittwoch der geldpolitischen EZB-Ratssitzung.2
Beispielrechnung: festgelegter Mindestreservesatz 10%
reservepflichtige Verbindlichkeit der Geschäftsbank 0 €
Kunde G zahlt 100.000 € bei der Bank A ein
100.000 € * 0,1 = 10.000 €, d.h. die Bank A muss 10.000 € von den 100.000 € als Mindestreserve auf ihr Konto bei der nationalen Zentralbank einlegen. Den Rest des Geldes kann die Bank A nun dem Kunden M als Kredit geben und Kunde M zahlt mit den 90.000€ die offene Rechnung beim Händler Q. Der Händler Q besitzt ein Girokonto bei der Bank D, bei der Bank D gehen 90.000€ ein und davon wird nun die Mindestreserve abgezogen.
90.000€ * 0,1 = 9.000 €
Bank D kann nun ein Kredit in Höhe von 81.000 € vergeben.
Bargeldschöpfung von: 90.000 € + 81.000 € +...usw.
Ziele der Mindestreservepolitik
Die EZB verfolgt mit der Mindestreservepolitik zwei wesentliche geldpolitische Ziele. Einmal soll die Mindestreservepflicht im Bedarfsfall eine Liquiditätsverknappung bei den Geschäftsbanken erzielen, z.B. soll es im Fall einer Erhöhung des Mindestreservesatzes dazu führen, dass die Überschussreserven der Geschäftsbanken sich reduzieren. Denn das sorgt dafür, dass die Geschäftsbanken mehr Mindestreserve-Soll halten müssen. Dadurch verringert sich wiederum der Kreditschöpfungsspielraum unmittelbar, was dazu führt, dass die Geschäftsbanken weniger Kredite vergeben können. Im umgekehrten Fall führt eine Senkung des Mindestreservesatzes zur ansteigender Überschussreserve bei den Geschäftsbanken, sodass sie mehr Kredite zu einem niedrigen Kreditzinssatz anbieten können und das führt zu einem Wirtschaftswachstum. Wenn sich der Mindestreservesatz ändert, so wirkt sich das auf die Kreditschöpfungsmöglichkeiten der Geschäftsbanken und somit auf das Zinsniveau aus.
Die Geschäftsbanken müssen nicht den vorgeschriebenen Mindestreserve-Soll jeden Tag in voller Höhe als Einlage auf ihrem Zentralbankkonto halten, sondern nur im Durchschnitt über die gesamte Mindestreserveperiode. Das gibt den Geschäftsbanken eine Flexibilität, denn das Reserveguthaben kann so wie ein Puffer wirken. Das ist erforderlich, wenn ein Teil des Zahlungsverkehrs durch Target2 erfolgt.2 TARGET bedeutet Trans-European Automated Real-time Gross settlement Express Transfer system und gilt als das Zahlungssystem der Zentralbanken des Eurosystems, welches für das schnelle Abwickeln von Überweisungen in Echtzeit steht.
Zu dem durchschnittlichen Zinssatz der Hauptrefinanzierungsgeschäfte wird die hinterlegte Mindestreserve vom Eurosystem verzinst. Das sorgt dafür, dass die Geschäftsbanken keinen Zins- und Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu den anderen Geschäftsbanken haben, die außerhalb der Euro-Währung tätig sind und keine Mindestreserve halten müssen. Hat eine Geschäftsbank im Durchschnitt eine höhere Einlage auf ihrem nationalen Zentralbankkonto, als ihre Mindestreserve betragen soll, so wird der überschüssige Betrag nicht verzinst. Seit Juli 2014 wird dafür in Übereinstimmung mit der negativen Verzinsung der Einlagefazilität auch ein Entgelt berechnet, damit das Geld nicht kostenlos als Überschussguthaben gehalten werden kann. Dies soll die Geschäftsbanken anreizen, überschüssige Liquidität durch/über den Geldmarkt an andere Geschäftsbanken auszuleihen.